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Die Übersetzung in der Diplomatie   GERMANOPOLIS : Erfahrungsberichte -

Die Reihe "Erfahrungsberichte" von Germanopolis wendet sich an alle, die im Bereich Sprachen beruflich arbeiten wollen. Im Rahmen dieser Reihe berichten Sprachprofis über ihre Erfahrungen und die Besonderheiten ihres Berufes. Ziel dieser Reihe ist es, den künftigen Dolmetschern, Sprachmittlern, Translatoren, Übersetzern einen Einblick in die Praxis zu gewähren und sie somit besser für die berufliche Zukunft zu rüsten.

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» Die Übersetzung in der Diplomatie

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Célia Ferrari

Die Übersetzung in der Diplomatie.

Ich möchte zunächst meinen langen steinigen Weg zu dieser Tätigkeit kurz darstellen, dann die Organisation des Sprachendienstes vorstellen, und schließlich zu dem eigentlichen Thema der Sprache der Diplomatie kommen.

Da ich in der Schweiz, an der Übersetzungsschule der Uni Genf studiert habe, dachte ich, dass das Übersetzen überall ein wichtiger und so hoch angesehener Beruf ist. Ich ging auch davon aus, daß der Arbeitsmarkt überall so gut war wie in diesem Land, wo alles dreisprachig veröffentlicht wird. Ich war ziemlich enttäuscht, als ich feststellen musste, dass die Lage in Berlin alles andere als einfach ist. Mir wurden sogar Sekretariatsstellen angeboten, die ich zum Glück nie annehmen mußte.

Ich suchte also weiter...

Meine Frustration dauerte bis zu dem Tag, wo ich über drei verschiedene Leute und mit sehr viel Glück erfahren habe, dass eine Übersetzungsstelle im Auswärtigen Amt frei wird. Das „networking“ ist besonders wichtig. Die besten Jobs findet man oft, wenn man sich umhört und wenn man die richtigen Leute anspricht. Ich halte es für wichtig, daß Sie zunächst unter Ihnen im Kontakt stehen, und die Kontakte in "die Szene" herstellen und pflegen. Und in der Bewerbungsphase sollte man sich nicht scheuen, das Ganze mit Praktika zu untermauern. Nur durch ein Praktikum beim Bundespresseamt habe ich von der obengenannten Stelle erfahren. Praktika sollten vor und in der Bewerbungsphase eine Rolle spielen, weil sie meistens die beste und einfachste Möglichkeit sind, sein Netzwerk zu bauen.

Nachdem ich die Leiterin der Übersetzungsabteilung angerufen hatte, konnte ich meine schriftliche Bewerbung einreichen. Der nächste Schritt waren Probeübersetzungen, die zu Hause erledigen musste; dann wurde ich zu einer schriftlichen Prüfung und einem Vorstellungsgespräch eingeladen, und nach der Zusage musste ich noch 2 Monate warten, bis der übliche Verlauf einer Einstellung beim Staat mit Sicherheitsüberprüfung, medizinische Untersuchung usw. zu Ende war. Insgesamt habe ich also 8 Monate gesucht, und 10 Monate hat es gedauert, bis ich anfing, zu arbeiten. Man muss insofern nicht nur die richtige Stelle finden, man muss auch geduldig sein.

Ich erzähle dies nicht, um Sie abzuschrecken oder zu demotivieren, aber jeder sollte diese Verfahrensweisen kennen, damit man nicht nach 2 Monaten verzweifelt aufgibt!

Arbeitsumfeld

Organisation der Arbeit

Der Sprachendienst hat 5 Abteilungen: die Dolmetscherabteilung, die Übersetzungsabteilung (mit ungefähr 30 Übersetzern, die zum Teil auch dolmetschen), die juristische Abteilung, die aus 3 Übersetzern besteht, die Terminologieabteilung und die Sprachfortbildung. Die Sprachfortbildung ist eine sehr wichtige Aufgabe des SD aufgrund des Rotationssystems. Wir sind nämlich (neben einigen wenigen Ausnahmen) die Einzigen, die im AA der Rotation nicht unterliegen. Alle anderen, egal ob Sekretärin oder Diplomat, werden alle 3 bis 4 Jahre versetzt, und brauchen deshalb regelmäßig eine Sprachfortbildung, die von uns organisiert wird.

Innerhalb der Übersetzungsabteilung ist die Arbeitsaufteilung folgendermaßen: die Leiterin bekommt die Aufträge und entscheidet wer den Text übersetzt und wer die Übersetzung überprüft. Die französischen Übersetzungen werden von Deutschen überprüft, was eher außergewöhnlich ist aber es liegt daran, dass der Inhalt unbedingt stimmen muss. Wir dürfen kein Risiko eingehen, dass der Sinn nicht ganz oder sogar falsch übertragen wird.

Die Überprüfung hat zum Ziel, dass die Übersetzung vollständig und richtig ist. Mehr als die inhaltlichen Fehler werden theoretisch nicht korrigiert. Die Praxis entspricht meistens der Theorie, aber ich muss zugeben, dass die Überprüfer so gut französisch können, dass sie manchmal Lösungen vorschlagen, die sogar besser als der ursprüngliche Text sind.

Ein weiterer wichtiger Punkt ist der Zeitdruck. Meiner Meinung nach unterscheidet sich das Studium insofern erheblich vom beruflichen Leben. Die meisten Aufträge sind Terminsachen, d.h. der Text muss möglichst schnell raus, und er muss noch dazu gut sein!

Ein belebendes Element ist die Größe des Sprachendienstes, die viel Austausch mit den anderen Sprachgruppen und mit den Dolmetschern ermöglicht.

So arbeiten die Französischübersetzer mit den Englischübersetzern zusammen, um spezifische Probleme eines Textes zu lösen.

Werkzeuge

Damit ein reger Informationsaustausch innerhalb der Französischgruppe aufrechterhalten wird, treffen sich die 7 Französischübersetzer alle 2 Monate mit den Terminologen. Bei den Sitzungen besprechen wir alles, was wir in der Zwischenzeit 2 Monaten an neuen Wörtern, neuen Namen und außergewöhnlichen Ausdrücken gefunden haben. Natürlich werden auch andere sprachliche Probleme allgemeinerer Art auch diskutiert. Zum Beispiel stellt sich heute wieder mit der neuen französischen Regierung die Frage der sogenannten "féminisation". Dazu komme ich später noch.

Die Ergebnisse der Treffen werden sorgfältig von unseren fleißigen Terminologinnen notiert und in unsere Datenbank Multiterm aufgenommen. Im Multiterm werden alle wertvollen Einträge gespeichert und das Programm ist von jedem Arbeitsplatz aufrufbar.

Internet gehört zum täglichen Handwerkzeug, vor allem die Suchmaschine Google und die zahlreichen Terminologiewebsites. Einer der wichtigsten Lernerfolge der Einarbeitungszeit ist das schnelle und produktive Recherchieren im Internet. Ich frage mich sogar, wie die Leute vor 10 Jahren gearbeitet haben!

Übersetzungsbereiche

Der Homepage des Ministeriums wird sehr große Bedeutung beigemessen. Alle Pressemitteilungen werden zusammengefasst und ins Englische und ins Französische übersetzt. Viele Reden des BM und der Staatsminister werden auch ins Internet gestellt, genau so wie die Regierungserklärungen des Bundeskanzlers, auf die Seite der Bundesregierung. Die Bedeutung von Spanisch nimmt zu, hat aber den Stellenwert von Englisch und Französisch noch nicht erreicht.

 

Auch der Briefwechsel ist ein wesentlicher Teil der Arbeit. Wir legen zu jedem Brief eine Höflichkeitsübersetzung bei. Der französische Staatsmann kann dann entweder die Übersetzung lesen oder den Brief noch mal von seinem eigenen Sprachendienst übersetzen lassen.

Es ist wie ein Schriftverkehr unter Kollegen und wir übersetzen insofern Glückwünsche vom Bundespräsidenten, Glückwunsch vom Bundesminister Fischer an Herrn de Villepin, Antwort auf eine Bitte, Glückwunsch zum Geburtstag.

Die technische und finanzielle Zusammenarbeit ist der eintönigste Teil der Arbeit: wir übersetzen Notenwechsel zwischen Deutschland und Ländern, die Entwicklungshilfe von der Bundesrepublik bekommen. Die Noten beziehen sich auf Abkommen und Vereinbarungen, die die technische oder die finanzielle Hilfe betreffen. Das verlangt überhaupt kein übersetzerisches Können und Feingefühl aber es trainiert die Konzentration und die Präzision. Vor allem muss man bei der Übersetzung im Kopf behalten, dass dank dieses Textes Schulen gebaut oder Ärzte ausgebildet werden können.

 

Die Sprache der Diplomatie

Die internen Regeln

Ein paar Regeln müssen eingehalten werden. Zum Beispiel übersetzen wir ins Französische nur die Funktion und nicht den Titel einer Person: Herr Dr. Dr. Dr. h.c. Müller heißt bei uns lediglich Monsieur Müller!

 

Wie ich es früher erwähnte, ein ständiges Problem ist mit den geschlechtsspezifischen Regelungen. Ein berühmtes Beispiel ist Mme l'Ambassadrice (Mme l’Ambassadrice ist die Frau des Botschafters und nicht die Botschafterin; Mme l’Ambassadeur ist die Botschafterin)

Ordonnance de Jospin sur la féminisation des noms: www.culture.fr/culture/dglf/terminologie/accueil-feminisation.html

Die Wichtigkeit der Nuancen

Aus der Arbeit für das Auswärtige Amt ergibt sich die Anwendung einer der berühmtesten Fachsprachen, nämlich die Sprache der Diplomatie. Aus diesem Grund muss man den Stil und die Feinheiten sowohl der Ausgangssprache als auch der Zielsprache gut beherrschen.

Man muss besonders präzis und exakt sein. Das ist auch ein grosser Unterschied zum Studium. Die Professoren sind zufrieden, wenn man Abstand vom Ausgangstext gewinnt und nicht wortwörtlich übersetzt. Im AA wird zwar auf den Stil geachtet aber kein Risiko eingegangen. Wenn die Überprüfer nicht 100%ig sicher sind, entscheiden sie sich immer für die wortwörtliche Lösung.

Um die Bedeutung der Nuancen und der Präzision zu zeigen habe ich drei Beispiele ausgewählt:
- Briefwechsel zwischen 2 sehr hohen Vertretern der deutschen und französischen Regierungen:
"Ich darf mir den Vorschlag erlauben, dass die französische Regierung die Institution bei der Realisierung des Bauvorhabens risikofrei stellt"
"Je me permets de suggérer que le gouvernement français s'emploie à écarter tout risque que la réalisation du bâtiment pourrait présenter pour l'institution."
- Verbalnote: Bewerbung Deutschlands um Posten bei einer internationalen Organisation. In der Verbalnote bittet DL um die Unterstützung seiner Bewerbung. Der Schlusssatz lautete:
"Auch nach den in Zukunft zu erwartenden Veränderungen in der Leitung von Institutionen und Missionen der Organisation will Deutschland seinen angemessenen Beitrag erbringen".

Beitrag habe ich zuerst als finanziellen Beitrag verstanden, so auch mein Überprüfer. Nur haben wir beide gemerkt, daß irgendwas unlogisch war, und daß es sich um Stellen handeln könnte, weil DL angemessen vertreten werden wollte. Wir haben den Auftraggeber angerufen, und unsere Vermutung wurde bestätigt. Wir haben uns zum Schluß für die folgende Lösung entschieden: "l'Allemagne souhaite jouer un rôle approprié". Dieser Lösung hat der Auftraggever telefonisch zugestimmt. Ohne den Kontakt zu ihm hätten wir uns so eine große Freiheit in der Übersetzung niemals erlauben können.

- Der Nahe Osten: Erklärung von BM Fischer:
"Die Bundesregierung begrüßt mit allem Nachdruck die von Präsident Bush angekündigte Initiative der USA für eine Friedenslösung im Nahen Osten. Sie bedeutet ein wichtiges Signal der Hoffnung für eine baldige Deeskalation der Gewalt zwischen Israel und Palästinensern...". Meine Lösung war ursprünglich "cette initiative permet d'espérer..." aber der Ausdruck Signal fehlte hier, da es auch ein Signal war, dass die Amerikaner diese Initiative nicht früher ergriffen haben: "celle-ci donne un important signal qui permet d'espérer". Es ging in erster Linie nicht darum, dass der Satz gut klang, sondern dass die USA nach langer Zeit des Nichthandels wieder etwas unternommen hatten und dass es sehr positiv war.

Im Allgemeinen zeigen die Beispiele, daß es immer sehr positiv wenn nicht unumgänglich, einen Kontakt zu dem Hersteller des Textes zu haben.

 

Conclusion

Das Arbeitumfeld ist besonders interessant, wo man sich hauptsächlich mit der Politik und mit aktuellen Frage beschäftigt. Die Diplomatie ist eine spannende Welt, sogar wenn nur über die Sprache.

 



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Zuletzt geändert:

17-02-2010, 12:15