Die Reihe "Erfahrungsberichte" von Germanopolis wendet sich an alle, die im Bereich Sprachen beruflich arbeiten wollen. Im Rahmen dieser Reihe berichten Sprachprofis über ihre Erfahrungen und die Besonderheiten ihres Berufes.
Ziel dieser Reihe ist es, den künftigen Dolmetschern, Sprachmittlern, Translatoren, Übersetzern einen Einblick in die Praxis zu gewähren und sie somit besser für die berufliche Zukunft zu rüsten.
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Zusammenfassung des an der Humboldt-Universität zu Berlin gehaltenen Vortrags vom 28. Mai 2002 durch Dipl.- Dolmetscher Ronald Hoffman, Mitglied des BDÜ.
Inhalt
1. Einleitung
Bei dem Vortrag handelt es sich um einen Erfahrungsbericht aus der Praxis ohne Anspruch auf Vollständigkeit. Der Vortrag verfolgt nicht das Ziel, das Thema in allen seinen Einzelheiten erschöpfend zu behandeln. Zum Titel des Vortrags ist anzumerken, daß man zuerst einmal geneigt sein könnte, aufgrund des Begriffs "Urkunde" und dessen Nähe zur juristischen Materie die Erwartung zu hegen, es handele sich um etwas klar Definiertes. Zum Thema selbst wäre noch anzumerken, daß es hier um die beglaubigte Urkundenübersetzung geht. 2.Die Urkunde - der Ausgangstext
"Nur die Schrifturkunde kann als Urkunde im Sinne des allgemeinen Urkundenrechts angesehen werden." (Notariatskunde 1996, S. 87). Außerdem muß der niedergelegte Gedanke einen rechtlich bedeutsamen Inhalt haben. Das Strafrecht faßt den Begriff der Urkunde etwas weiter. So kann bereits ein Fingerabdruck oder ein Foto eine Urkunde im Sinne des Strafrechts darstellen. Von Belang für die Praxis des Urkundenübersetzers ist, daß es sich für gewöhnlich um Schrifturkunden handelt. Man unterscheidet zwischen öffentlichen und privaten Urkunden. "Öffentliche Urkunden sind Schriftstücke, die von einer öffentlichen Behörde oder von einer mit öffentlichem Glauben versehenen Person innerhalb ihrer Zuständigkeit und in der vorgesehenen Form aufgenommen sind (§ 415 ZPO)" (Notariatskunde 1996, S. 87). Privaturkunden sind alle Urkunden, die nicht öffentliche Urkunden sind. Die zu übersetzende Urkunde kann in Form des Originals vorliegen, es kann sich aber auch um eine Photokopie oder eine beglaubigte Abschrift handeln. In der Praxis handelt es sich gewöhnlich um eine Kopie, die man vom zumeist privaten Auftraggeber übermittelt bekommt und die man dann mit der Übersetzung verbindet. Der Vorteil für den Auftraggeber besteht darin, daß er sich nicht von seinem Dokument trennen muß und daß man einen Teil des Geschäfts auf dem Postwege oder auch per Fax erledigen kann. Zu achten ist lediglich darauf, das die Kopie gut lesbar sein muß. So bekommt man oftmals das Original überhaupt nicht zu Gesicht. 3. Der UrkundenübersetzerDer Urkundenübersetzer (wie auch der Gerichtsdolmetscher) wird persönlich bestellt. (d. h. allgemein beeidigt, vereidigt, ermächtigt, öffentlich bestellt, usw.) In Berlin geschieht dies auf Antrag beim Präsidenten des Landgerichts. Nachzuweisen ist die fachliche Eignung (Universitätsdiplom, z. B. "Diplom-Dolmetscher", staatliche Prüfung), auf deren Grundlage der Übersetzer (in Berlin) allgemein beeidigt wird.
Die Qualitätsvoraussetzungen und Bestellungsverfahren sind je nach Bundesländern unterschiedlich. Die Unterschiede sind zum Teil erheblich. Die Beschreibung der Verfahren in Berlin und Bayern ist nachzulesen in: Behördendolmetschen, Gitting, 2002, Seiten 14 ff. Zuständig in Berlin für die Beeidigung ist der Präsident des Landgerichts, Tegeler Weg 17-21, 10589 Berlin. Unabhängig von den zu erbringenden Nachweisen über die fachliche Eignung bringt es die Nähe zur juristischen Materie mit sich, daß man neben der sprachlichen Eignung auch über eine entsprechende Sachkenntnis verfügen bzw. sich diese aneignen muß (z. B. Gesetze, Verordnungen). Der Übersetzer, wie der Gerichtsdolmetscher, ist zur Verschwiegenheit verpflichtet. Er ist unparteiisch. Um dies zu gewährleisten, gilt auch für Dolmetscher und Übersetzer das Mitwirkungsverbot, analog zu dem Mitwirkungsverbot für Notare (§ 3 BeurkG). Dies bedeutet, daß der Notar beispielsweise nicht tätig werden kann, wenn er etwa mit seinem Mandanten verwandt ist. Bei öffentlichen Auftraggebern erfolgt die Vergütung nach dem ZSEG (Gesetz über die Entschädigung von Zeugen und Sachverständigen). Obwohl die Entschädigung in einem Gesetz geregelt ist, so kommt es aufgrund verschiedener Auslegung seitens der Sachbearbeiter, verschiedener Behörden oder Dienststellen und nicht zuletzt aufgrund von Sparzwängen immer wieder zu Komplikationen. Entschädigung bei Übersetzungen nach dem ZSEG (Stand 01. 01. 2002, Preis in Euro): ZSEG, § 17, Abs. 3: "Die Entschädigung für die Übersetzung eines Textes aus einer Sprache in die andere Sprache beträgt 1 Euro je Zeile. Ist die Übersetzung erschwert, insbesondere wegen der Verwendung von Fachausdrücken oder wegen schwerer Lesbarkeit des Textes, so kann die Entschädigung bis auf 3 Euro , bei außergewöhnlich schwierigen Texten bis auf 4, 30 Euro je Zeile erhöht werden" Bei privaten Auftraggebern ist die Anwendung des ZSEG nicht zwingend. Hier gilt das Gesetz des freien Marktes. Um an private Übersetzungsaufträge zu kommen, muß man werben. Immer wieder empfehlenswert sind die Gelben Seiten. 4. Die Urkunde und deren ÜbersetzungUrkunden sollen Rechtssicherheit schaffen. Um dies zu gewährleisten, muß sichergestellt sein, daß sie echt sind. Für eine Urkunde, die beispielsweise in Deutschland ausgestellt wurde und auch hier Verwendung finden soll, ist dies kein Problem. Bei ausländischen Urkunden wird in der Regel ein zusätzlicher Echtheitsbeweis gefordert (Legalisation oder Apostille).
Nur durch die Übersetzung, selbst durch einen beeidigten Übersetzer, ist noch keine Aussage über die Echtheit einer Urkunde getroffen worden. Der Urkundenübersetzer bescheinigt lediglich die Richtigkeit und Vollständigkeit der Übersetzung, nicht die Echtheit des Dokuments. Optimal ist die Verbindung von beglaubigter Abschrift der Urkunde und beglaubigter Übersetzung. Wenn keine beglaubigte Abschrift zur Verfügung steht, so hat eine Kopie zu genügen. Die beglaubigte Übersetzung einer Urkunde durch einen in Berlin beeidigten Übersetzer bzw. Dolmetscher gilt bundesweit, jedoch nicht im Ausland. Wird die Übersetzung einer Urkunde im Ausland verwandt oder bestehen sonstige Zweifel an der Echtheit der Bescheinigung bzw. der Unterschrift des Übersetzers, so muß die Unterschrift des Übersetzers legalisiert werden. In Berlin geschieht dies durch den Präsidenten des Landgerichts. 5. Die Übersetzung
Generell gilt, daß die Urkunde vollständig übersetzt werden muß. Der Übersetzer darf nichts aus- oder weglassen. Eine Teilübersetzung ist nicht möglich, es sei denn, dies wird vom Auftraggeber so gewünscht. Ist dies der Fall, so muß der Übersetzer dies kenntlich machen. Die Urkunde muß richtig, d. h. sachlich richtig übersetzt werden. Dies wird am Ende der Übersetzung durch einen Beglaubigungsvermerk dokumentiert: Dieser kann beispielsweise lauten: Vorstehende Übersetzung der in französischer Sprache abgefaßten Urkunde ist richtig und vollständig. Berlin, den ... Unterschrift Stempel
Zwecks "Parallelität" muß eine Ablichtung der zu übersetzenden Urkunde angefertigt und diese mit der Übersetzung verbunden werden. Eine Verbindung muß auch dann erfolgen, wenn die Übersetzung oder die Originalurkunde aus mehreren Blättern besteht. Das Verbinden geschieht am besten durch Klammern. Dies ist, wie bereits erwähnt, um so wichtiger, da die Übersetzung nicht den Echtheitsbeweis für die Urkunde liefert. In Form und äußerem Erscheinungsbild sollte die Übersetzung dem Original so nah wie möglich kommen. Ist dies nicht möglich, so ist darauf hinzuweisen. Ist beispielsweise ein Stempel aufgebracht, so ist die Form sowie die Stelle desselben zu beschreiben; gleiches gilt für Lichtbilder, Wappen oder Hoheitszeichen, handschriftliche Vermerke, Dienstsiegel, Gebührenmarken u. ä. Für die Schrift und die Schriftunterlage wird kein bestimmtes Material vorausgesetzt. Beides muß jedoch dauerhaft und urkundenecht sein. Neben den Beglaubigungsvermerk, Ort, Datum und Unterschrift gehört ein Stempel. Der Stempel hat den Namen, die Bezeichnung und ev. die Adresse des Übersetzers zu beinhalten. Die Übersetzung muß nicht gestempelt werden. Sie ist auch ohne Stempel gültig, sieht jedoch mit Stempel wesentlich besser aus.
Der Beginn der Übersetzung ist durch eine Überschrift kenntlich zu machen (z. B. "Übersetzung aus der xyz Sprache"). In jedem Falle muß der Leser erkennen können, wo die Übersetzung beginnt und daß es sich um eine Übersetzung handelt und nicht etwa um ein Originaldokument.
Bei Namen und Daten können eine ganze Reihe von Problemen auftauchen, wenn z. B. andere Alphabete als das lateinische benutzt werden (z. B. Deklination von Eigennamen, Transkription von fremden Alphabeten, andere Zeitrechnungen, etc.) Da die Unterschiede zwischen deutsch und französisch in diesem Sinne nicht von großer Bedeutung sind, möchte ich deshalb dieses Thema nur kurz streifen. "Orts- und Eigennamen sind stets in der Originalschreibweise der Fremdsprache mit allen Betonungs- und sonstigen Zeichen wiederzugeben. Soweit die Fremdsprache andere als lateinische Buchstaben verwendet, ist die Übertragung der Namen unter Beachtung der von der Philologie aufgestellten Grundsätze vorzunehmen. Sofern es für Ortsnamen und geographische Bezeichnungen eine übliche deutsche Schreibweise gibt, ist diese in Klammern hinzuzufügen. Eine Übersetzung oder Verdeutschung von Vor- und Familiennamen (z. B. Frantisek in Franz, Orlowski in Adler) darf vom Dolmetscher nicht vorgenommen werden, und zwar selbst dann nicht, wenn es sich um einen deutschen Staatsangehörigen oder Volkszugehörigen handelt. Gibt die grammatikalische Form des fremdsprachigen Namens oder die fremdsprachige phonetische Schreibweise Anlaß zu zweifeln über den richtigen Wortlaut des Namens, so hat der Dolmetscher seinen Zweifel und die verschiedenen möglichen Schreibweisen anzugeben. " (Amtsblatt für Berlin, 1992)
Adressen sind nicht zu übersetzen (Wurden andere Alphabete als das lateinische benutzt, so sind diese zu nach den allgemein gültigen Normen zu transkribieren.) An der Schreibweise von Zahlen und Datumsangaben darf ebenfalls nichts geändert werden. Abkürzungen Handelt es sich um gängige Abkürzungen, sind für diese Äquivalente in der Zielsprache zu finden; ist dies nicht möglich, sollte man sie auflösen und wenn nötig in einer Anmerkung erklären. Gleiches gilt für Abkürzungen von z. B. Gesetzestexten oder Behördenbezeichnungen.
Behörden- und Gerichtsbezeichnungen sollen übersetzt, hilfsweise in der Originalbezeichnung übernommen und in einer Anmerkung erläutert werden. Es ist jedoch zu berücksichtigen, daß Rechtsbegriffe oder Behördenbezeichnungen nur selten eine eins zu eins Äquivalenz zwischen AS und ZS aufweisen, da eine andere Rechtskultur bzw. ein anderes Rechtssystem andere Rechtsbegriffe generiert. Hier wird wieder das Thema der Richtigkeit berührt (cf. Handbuch Translation, Seite 230 ff.). Ist diese Äquivalenz nicht gegeben, so sollte in einer Anmerkung darauf hingewiesen werden. Andererseits, selbst unter Wahrung des Grundsatzes "so wörtlich wie möglich" sollte die Lesbarkeit gewahrt bleiben und die Übersetzung kein Rechtsspracheseminar werden. Das gilt um so mehr, als eine z. B. Geburtsurkunde nicht jedesmal neu erfunden werden muß, indem man jeden Begriff erklärt und auf mögliche Mehrdeutigkeiten hinweist.
Schreibfehler sind nicht zu berichtigen, man sollte aber darauf hinweisen. Ebenso auf sonstige Auffälligkeiten, wie z. B. Rasuren.
Es empfiehlt sich, die Übersetzungen zu archivieren, falls es Fragen gibt oder ein Kunde eine weitere Ausfertigung einer bereits angefertigten Übersetzung wünscht. Eine Pflicht dazu besteht allerdings nicht. Übersetzt man sehr viel, ist es ebenfalls sinnvoll, seine Übersetzungen mit Registernummern zu versehen oder sie sonstwie zu ordnen. 6. Verwendete Quellen / weiterführende Literatur / nützliche Adressen:
BeurkG, in: Deutsche Gesetze, H. Schönfelder, C. H. Beck'sche Verlagsbuchhandlung, München ZSEG, in: Deutsche Gesetze, H. Schönfelder, C. H. Beck'sche Verlagsbuchhandlung, München Amtsblatt für Berlin, 42. Jahrgang Nr. 33, 26. Juni 1992, Seiten 1783 ff Erfolgreich selbständig als Dolmetscher und Übersetzer, hrsg. Vom Bundesverband der Dolmetscher und Übersetzer e.V. (BDÜ), 1999, Stauffenburg-Verlag Notariatskunde, Faßbender/Grauel/Kemp/Ohmen/Peter, 11. Auflage 1996, Merkur Verlag, Rinteln Handbuch Translation, Hornby, Hönig, Kußmaul, Schmitt (Hrsg.), zweite, verbesserte Auflage, 1999, erschienen in der Reihe: Schriften des BDÜ, Stauffenburg-Verlag Behördendolmetschen, Gitting, Britta, Diplomarbeit an der Humboldt-Universität zu Berlin, Philosophische Fakultät II, Institut für Romanistik, 2002 Der Präsident des Landgerichts
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17-02-2010, 11:50
Die Dossiers von Germanopolis werden von Hochschullehrern aus dem Fachbereich der Sprachmittlung, zusammengestellt. Diese Seite wird von der Humboldt-Universität zu Berlin unterstützt.